Entwicklung wasserbasierter Schmiermittel

neu entwickeltes In situ-Tribometer
© Fraunhofer IWM
Mit dem neu entwickelten In situ-Tribometer lassen sich direkt im Betrieb Verschleiß und Reibwerte von Gleitlagern messen.

Bisher werden Maschinenlager hauptsächlich mit Schmierstoffen auf Mineralölbasis geschmiert. Schmierstoffe auf Wasserbasis können die Reibung und den Materialverschleiß effektiv verringern und je nach Additivierung langfristig eine umweltfreundliche Alternative darstellen – schließlich ist Wasser weniger zähflüssig als Öl. Der Energieverbrauch der Maschinen und die Wartungshäufigkeiten könnten so gesenkt werden. Die Nachteile von Wasser sind jedoch: der begrenzte Einsatz-Temperaturbereich und die Korrosion der Lager-Metallteile. Letzteres war bisher das Ausschlusskriterium seiner Nutzung als Schmierstoff. Das Fraunhofer IWM hat Wasser mithilfe von Additiven so verändert, dass es in Zukunft tatsächlich als Schmierstoff eingesetzt werden könnte. Die Korrosion der Metallbauteile wird durch eine galvanische Kopplung verhindert, ohne von außen Strom anlegen zu müssen.

Aus diesem Anlass hat die Gruppe ein In situ-Tribometer entwickelt, das während des Betriebes mehrerer Gleitlager den Verschleiß und die Reibwerte misst. Die Messungen ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Lagern und können schneller erfolgen, da häufige Umbauten vermieden werden. 

galvanisch gesteuerter Reibkontakt
© Fraunhofer IWM
Im galvanisch gesteuerten Reibkontakt lagern sich die ionischen Fluide an die Metalloberfläche an und verbessern so die tribologischen Eigenschaften Reibung und Verschleiß.

Das Fraunhofer IWM löst das Korrosionsproblem wasserbasierter Schmierstoffe, indem ein vom Lager selbst produziertes elektrochemisches Feld aufgebaut wird. Die neue Methode ist erfolgreich an Sintergleitlagern entwickelt und demonstriert worden. Der Schmierstoff selbst besteht aus Wasser, versetzt mit ionischen Flüssigkeiten – das sind flüssige Salze, die Anionen und Kationen enthalten. Außerdem wurden als Zusatzstoffe lyotrope Flüssigkristalle auf Zuckerbasis untersucht. Zudem beinhaltet das Gleitlager eine sogenannte Opferanode aus Aluminium, die wie der Stahl der Gleitlagerbauteile dem Schmierstoff ausgesetzt ist. Der Gleitlagerring besteht somit aus mehreren Schichten: außen umgibt Teflon das Lager zur elektrischen Isolation,  gefolgt von einer Aluminiumhülse und innen besteht das Lager aus gesintertem Eisen, das die Welle umfasst. Diese gesinterte, innere Eisenschicht ist von einem kleinen Kanal durchzogen, damit die ionische Flüssigkeit bis zum Aluminium vordringen kann. Dadurch wird das Aluminium positiv, der Stahl negativ geladen und dadurch vor Korrosion geschützt. Durch diese batterieartige Methode wird es unnötig, korrosionsvermeidenden Strom von außen anlegen zu müssen, was fertigungstechnisch sehr kompliziert wäre. In diesem Ladungsgefälle richten sich die Ionen aus und lagern sich auf der Innenseite des gesinterten Metallrings ab – und zwar so, dass ihre Enden der rotierenden Welle entgegenragen. So bilden sie eine galvanisch hergestellte Schutzschicht, auf der die Welle gleiten kann.

Gleitlager mit galvanisch gesteuerter, wässriger Schmierung
© Fraunhofer IWM
Ein neues Gleitlagerdesign mit Wasserschmierung und galvanischer Kopplung, das ohne zusätzlichen Strom die Tribokorrosion verhindert.

Anwendungsmöglichkeiten für wasserbasierte Schmiermittel gibt es reichlich: Sintergleitlager etwa sind nahezu überall zu finden, wo selbstschmierende Dauerläufer benötigt werden: in kleinen Elektromotoren von Ventilatoren, Audio- oder Videospielen, Medizin- oder Regelungstechnik, Scheibenwischer oder-heber, Elektrowerkzeugen oder Sportgeräten. Aber auch die Feinwerktechnik kann von der Entwicklung profitieren. Darüber hinaus ist die Technik auf andere Gleitlagersysteme übertragbar.

Publikationen

 

  • Amann, T.; Chen, W.; Baur, M.; Kailer, A.; Rühe, J., Entwicklung von galvanisch gekoppelten Gleitlagern zur Reduzierung von Reibung und Verschleiß - Development of galvanically coupled plain bearings to reduce friction and wear, Forschung im Ingenieurwesen - Engineering Research 84/4 (2020) 315-32 Link
  • Chen, W.; Amann, T.; Kailer, A.; Rühe, J., Thin-film lubrication in the water/octyl β-d-glucopyranoside system: Macroscopic and nanoscopic tribological behavior, Langmuir 35/22 (2019) 7136-7145 Link
  • Amann, T.; Gatti, F.; Oberle, N.; Kailer, A.; Rühe, J.; Galvanically induced potentials to enable minimal tribochemical wear of stainless steel lubricated with sodium chloride and ionic liquid aqueous solution, Friction 6/2 (2018) 230-242 Link