Einweihung Wasserstofflabor und Fachworkshop

Voraussetzungen schaffen für eine nachhaltige Wasserstoff-Energiewirtschaft der Zukunft

Wasserstoff spielt in allen nachhaltigen Energie-Zukunftsszenarien eine prominente Rolle als verbindendes Element zwischen unterschiedlichen Bereichen der Energieversorgung. Das Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM eröffnete sein erweitertes Wasserstofflabor feierlich am 10. April. Die Investition von insgesamt 1,1 Mio. Euro für neue Laborräume, Experimentiertechniken und Simulationswerkzeuge übernahmen Baden-Württemberg und Bund zu gleichen Teilen. Rund 50 Expertinnen und Experten aus Industrie und Wissenschaft diskutierten am Fraunhofer IWM über Herausforderungen und Lösungen beim Werkstoff-Einsatz im Kontakt mit Wasserstoff.

HYPOS: Hochdruck-Gasfernleitungen und atomistische und Spannungssimulation an Rissspitze
© links: ONTRAS Gastransport GmbH, rechts: Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM
Hochdruck-Gasfernleitungen, die ein Erdgas-Wasserstoff-Gemisch transportieren können (links) und atomistische Simulation an einer Rissspitze: Wasserstoff-Atome (blau) diffundieren in diesen Bereich.

Ministerialrat Dr. Joachim Wekerle vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg begrüßte bei der Eröffnung des erweiterten Wasserstofflabors das Ergebnis der vom Land geförderten Infrastrukturmaßnahme: »In dem strategischen Gesamtkonzept wurden alle Aspekte der Wirkung von Wasserstoff auf Werkstoffe, wie die Beschreibung, Bewertung, Risikoeinschätzung sowie Lebensdauervorhersagen, verknüpfend berücksichtigt.« Durch eine Vielzahl von zuvor bearbeiteten Projekten auf dem Gebiet der realitätsnahen Untersuchung des Einflusses von Wasserstoff auf Werkstoffeigenschaften, verfüge das Fraunhofer IWM über eine hervorragende Expertise auf diesem Gebiet.

Wasserstoff als Schlüsselrohstoff für eine nachhaltige Industriegesellschaft

»Um die Defossilisierung der Energieversorgung voran zu treiben, hat die Bundeskommission zum Kohleausstieg ‘Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung WSB den Wasserstoff als Schlüsselrohstoff für eine nachhaltige Industriegesellschaft identifiziert«, sagte Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn, Kommissionsmitglied und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS. »Um diese Chance systematisch zu nutzen haben wir auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft ein Netzwerk Wasserstoff gegründet.« Die Entwicklung solle nicht mit Argumenten von momentan noch zu geringen Wirkungsgraden bei der Herstellung von Wasserstoff vernichtet werden, denn es gehe hauptsächlich um CO2-Neutralität. »Welche Herstellungstechnologie sich am Ende für welchen Anwendungsfall durchsetzt, sollte nicht der Staat entscheiden sondern der Markt«, betonte Prof. Dr. Wehrspohn.

Wasserstofflabor Fraunhofer IWM
© Fraunhofer IWM
Das neue Fraunhofer IWM Wasserstofflabor

Potenter, CO2-neutraler Energiespeicher

Wasserstoff ist so interessant, weil er als »Energiespeicher« für zeitweise überschüssig anfallenden Strom aus erneuerbaren Quellen dienen kann: Er wird beispielsweise durch stromgetriebene Elektrolyse hergestellt, kann gespeichert und transportiert werden und verbrennt wieder bei Bedarf, ohne CO2 freizusetzen – eine sogenannte Energie-Sektorkopplung. »Es geht heute nicht nur um verbesserte Wasserstoff-Brennstoffzellen zur direkten Energieerzeugung, sondern auch darum, wie wir die bereits bestehende Gasversorgungs-Infrastruktur von Leitungen und Kavernen für zusätzlich eingespeisten oder reinen Wasserstoff nutzen können«, erläuterte Prof. Dr. Peter Gumbsch, Institutsleiter des Fraunhofer IWM. So wird angestrebt, 2020 bereits 20% Wasserstoff zu Erdgas zuzumischen, 2030 sollen sogar 100% Wasserstoff in Gasleitungen möglich sein. »Wir erforschen und untersuchen, welche Werkstoffe oder Beschichtungen für solche Anwendungen geeignet sind und haben dazu apparativ aufgerüstet: Über die bestehende Kompetenz der Schadensanalyse hinaus wollen wir unsere Lebensdauervorhersagen verbessern und unsere Simulationsmodelle exakter verifizieren können als bisher«, so Prof. Dr. Gumbsch. Neben dem Antrieb, technische und wissenschaftliche Fragestellungen zu lösen, sei die Verantwortung für nächste Generationen sehr ernst zu nehmen.

Wasserstoff-Anwendungen und technische Herausforderungen

Jetzt sei die Zeit für zukunftsweisende Entscheidungen, sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Industrie und Wissenschaft auf dem Workshop »Die Wirkung von Wasserstoff auf Werkstoffe beherrschen« einig. Wasserstoff sei keine Brückentechnologie, sondern biete große Chancen für die Mobilität: Im Nahverkehr von Niedersachsen sei beispielsweise bereits ein Brennstoffzellenzug erfolgreich im Einsatz. Die Umwandlung von Wasserstoff in Methan könnte direkt den Erdgasverbrauch senken und dabei gleichzeitig klimaschädliches CO2 binden. Die Verbrennung von mit Wasserstoff angereichertem Erdgas (27 bis 60%) in Gasturbinen ist schon heute in Siemens-Gasturbinen in Brasilien und Russland erprobt, mit reinem Wasserstoff betriebene Turbinen sind bereits erfolgreich getestet. Doch noch gilt es den Herausforderungen zu begegnen, die Wasserstoff je nach Menge bei hohen Temperaturen oder Drücken, unterschiedlichen Werkstoffhärten, Zugspannungen und zyklischen Belastungen an die verschiedenen Stähle stellt, aus denen Brenner, Wälzlager, Rohrleitungen oder Kavernenausrüstungen bestehen. Auch bei verschiedensten Herstellungsverfahren wie Schweißen und galvanischer Beschichtung ist das Verhalten von atomarem Wasserstoff im Werkstoff ein wichtiges Thema, denn er findet immer den Weg zu hohen Spannungen und den Spitzen von Rissen und macht dort den Stahl zusätzlich spröde. 

Bei diesen komplexen Fragestellungen setzt das Fraunhofer IWM einerseits auf multiskalige Computersimulationen, um von atomarer bis makroskopischer Skala Schädigungsvorgänge und Ermüdungsverhalten zu beschreiben, Werkstofflösungen zu finden und Lebensdauervorhersagen zu konzipieren. Andererseits gilt es, die Simulationen mit realitätsnahen Untersuchungsmethoden zu optimieren. Mit dem neuen Wasserstoff-Autoklaven am Fraunhofer IWM ist es nun möglich, Materialproben bei bis zu 1000 bar Wasserstoff-Druckatmosphäre anwendungsnah zu belasten und damit quantitativ und qualitativ bessere Aussagen als bisher zu treffen. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Zusammenhang sind tribologische Systeme wie Wälzlager, wie sie in Windkraftanlagen und vielen anderen Anwendungen genutzt werden: Wie verhält sich Wasserstoff in Zusammenhang mit Schmierstoffen, was passiert auf atomarer Ebene im Betrieb und bei sogenannten White Etching Cracks (WEC) und wie kann verhindert werden, dass Wasserstoffatome in die Bauteiloberflächen eintreten? Das Fraunhofer IWM beschreibt und bewertet die Wirkung von Wasserstoff auf Werkstoffe auf fortschrittliche Weise und berücksichtigt Mechanismen auf makroskopischen sowie mikrostrukturellen Skalen ebenso wie die atomaren Zusammenhänge und überträgt diese Mechanismen in zuverlässige Lebensdauervorhersagen und Risikoeinschätzungen. 

Wasserstoffforschung am Fraunhofer IWM

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Dr. Wulf Pfeiffer
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