3D-Blechmodellierung II: Verbesserte Blechumformsimulation durch 3D-Werkstoffmodelle und erweiterte Schalenformulierungen – Teil 2

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

Das Forschungsvorhaben »3D-Blechmodellierung II« zielte darauf ab, die Simulation von Blechumformprozessen durch innovative 3D-Schalenelemente höherer Ordnung und 3D-Materialmodelle zu optimieren. Durch die Verbesserung der numerischen Effizienz und die Erweiterung der Modellparameteridentifikation für anisotrope Werkstoffe wurde eine höhere Vorhersagequalität erreicht, die für den industriellen Einsatz qualifiziert ist. Die erzielten Ergebnisse eröffnen zudem neue Anwendungsmöglichkeiten in der blechverarbeitenden Industrie, beispielsweise in der Crashsimulation.

Projektbeschreibung

Der Stand der Technik bei der Simulation von Blechumformprozessen ist die Verwendung von Schalenelementen, die auf dem Reissner-Mindlin-Modell beruhen und mit vereinfachten Materialmodellen verwendet werden. Dieser Modellierungsansatz basiert auf einigen vereinfachenden Annahmen. Für die Strukturmodellierung werden ein Ebenbleiben der Querschnittsfasern und vernachlässigbare Normalspannungen in Blechdickenrichtung angenommen. Für die Materialmodellierung wird das richtungsabhängige Materialverhalten nur in der Blechebene abgebildet und damit werden anisotrope Effekte außerhalb der Blechebene vernachlässigt. Dieser Modellierungsansatz erreicht bei bestimmten Blechumformprozessen – darunter biegedominierte Prozesse und Umformprozesse mit kleinen Radien – seine Grenzen, da einige der getroffenen Annahmen nicht mehr zutreffen.

Das Projekt »3D-Blechmodellierung II« knüpfte an das abgeschlossene AiF-Vorhaben 19707N »3D-Blechmodellierung« an. In diesem wurde durch die Entwicklung von erweiterten Schalenformulierungen in Kombination mit 3D-Werkstoffmodellen die Prognosequalität von kritischen Blechumformprozessen verbessert. 

Das Forschungsvorhaben »3D-Blechmodellierung II« verfolgte die Weiterentwicklung eines alternativen Ansatzes zur Simulation von Blechumformprozessen und die Qualifizierung dieses Ansatzes für den industriellen Einsatz. Hierfür wurden drei für die praktische Anwendung relevante Aspekte weiterführend untersucht: Zur Verbesserung der numerischen Effizienz der entwickelten Schalenformulierungen wurden drei unterschiedliche methodische Ansätze verfolgt, um die Rechenzeit auf ein industriell nutzbares Niveau zu reduzieren. Um einen breiteren Anwenderkreis anzusprechen, wurde die Methode zur Identifikation von Modellparametern für anisotrope 3D-Werkstoffmodelle auf eine weitere praxisrelevante Werkstoffklasse erweitert. Einen dritten Schwerpunkt bildete die Bewertung der Vorhersagequalität des neu entwickelten Modellierungsansatzes durch praxisnahe Modellversuche sowie anhand eines Realbauteils.

Im Rahmen des Projekts wurden 3D-Schalenelemente höherer Ordnung, die nicht den Einschränkungen des Reissner-Mindlin-Modells unterworfen sind, für die Simulation von Blechumformprozessen genutzt. Diese wurden mit 3D-Materialmodellen verbunden, die einen vollständigen dreidimensionalen Dehnungs- und Spannungszustand berücksichtigen. Die im Vorgängerprojekt entwickelten 3D-Schalenelemente höherer Ordnung wurden bezüglich unterschiedlicher Aspekte verbessert. Außerdem wurde die Methode der virtuellen Versuche verbessert und für eine weitere Werkstoffklasse qualifiziert. Numerische Benchmarks sowie Vergleiche mit Versuchsergebnissen und Simulationen von Realbauteilen zeigen die erhöhte Ergebnisqualität der 3D-Blechmodellierung und die erfolgreiche Qualifizierung für den industriellen Einsatz.

Mittelfristig können die erzielten Ergebnisse auch in weiteren Anwendungsfeldern innerhalb der blechverarbeitenden Industrie (z.B. Crashsimulation, elektrische Steckkontakte) genutzt werden.

Teilvorhaben Fraunhofer IWM

Arbeitsschwerpunkt »3D-Werkstoffmodellierung« 

AP1: Werkstoffcharakterisierung

  • Zugversuche und Bulge-Test
  • Mikroskopie und EBSD-Messungen

AP2: Anpassung 3D-Materialmodelle

  • Aufbau und Kalibrierung RVE
  • Durchführung virtueller Versuche und Anpassung von 3D-Fließortmodellen
  • Erweiterung auf neue Werkstoffklasse (hochfeste Stähle)

Im Arbeitsschwerpunkt »3D-Werkstoffmodellierung« wurden die zu untersuchenden Werkstoffe charakterisiert und in Form eines Mikrostrukturmodells abgebildet. Die im Vorgängervorhaben entwickelte Methodik zur Identifizierung von Parametern für anisotrope 3D-Fließortmodelle diente dabei als Grundlage und wurde in diesem Forschungsprojekt mit dem Fokus auf eine neue Werkstoffklasse (Dualphasenstahle) weiterentwickelt.

Arbeitsschwerpunkt »Bewertung der 3D-Modellierung für die Praxis« 

AP5: Modellversuche

  • Praxisnahe Modellversuche zum Abgleich mit AP6
  • Beispielsweise Zugversuche, Nakazima-Versuche, Biegeversuche und Streifenziehversuche mit Ziehsicke

AP6: Prognosequalität der 3D-Blechmodellierung

  • Simulation der Modellversuche aus AP5
  • Analyse eines Realbauteils (Karosserie-Außenhautbauteil mit Charakterkante)
  • Bewertung der Vorhersagequalität bzgl. Stofffluss, Rückfederung und Umformgrenzen
  • Ableitung von Empfehlungen für die Umformpraxis

Im Arbeitsschwerpunkt »Bewertung der 3D-Modellierung für die Praxis« wurden die zuvor erarbeiteten Aspekte der 3D-Blechmodellierung zusammengeführt und durch Vergleich mit vollständig dreidimensionalen Simulationen auf Basis von Hexaederelementen sowie mit Versuchsdaten in Bezug auf den Praxiseinsatz bewertet. Die Bewertung erfolgte anhand mehrerer Modellversuche und eines praxisnahen Realbauteils.

 

Transfer der Projektergebnisse in FuE-Leistungen des Fraunhofer IWM 

  • verbesserte Prognosefähigkeit von kritischen Blechumformprozessen 
  • erhöhte Effizienz und Genauigkeit von Blechumformprozessen in der Fertigungsindustrie
  • Optimierung der Methode der »virtuellen Versuche« zur genaueren Simulation von Blechumformprozessen und Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten auf zusätzliche Werkstoffklassen
  • Potenzial zur Anwendung des 3D-Blechmodellierungsansatzes in der Entwicklung und Optimierung von komplexen Bauteilen in der Automobil- und Luftfahrtindustrie sowie anderen Industrien, die auf präzise Umformprozesse angewiesen sind

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben »Verbesserte Blechumformsimulation durch 3D-Werkstoffmodelle und erweiterte Schalenformulierungen – Teil 2I« der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer 06/219 / 21466 N über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Forderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefordert.