Im Rahmen des vorliegenden Forschungsvorhabens wurde die Anwendung des dehnungsbasierten Versagensbewertungs-Diagramms (engl.: »Strain-Based FAD« oder »SB-FAD«) auf verschiedene Lastfälle von rissbehafteten Bauteilen überprüft bzw. erweitert. Der wesentliche Anwendungsbereich des SB-FAD-Konzepts bezieht sich auf Nachweisstellen mit lokal auftretenden hohen plastischen Dehnungen, die infolge von konstruktiven Zwängungen, Dehnungsbehinderungen oder Kerbwirkungen entstehen. Hierbei ist das konventionelle Versagensbewertungs-Diagramm (FAD) entweder nicht anwendbar oder führt zu sehr konservativen Bewertungsergebnissen. Die im Vorhaben erzielten Ergebnisse zeigen, dass insbesondere für die oben genannten Fälle das SB-FAD-Konzept eine verbesserte analytische bruchmechanische Bewertung ermöglicht. Dabei wurde eine sichere Anwendung des SB-FAD-Konzepts für Risse mit einer Tiefe von bis zu ca. 20 Prozent der Bauteildicke aufgezeigt. Diese Bedingung stellt jedoch keine signifikante Einschränkung für die Praxis, da eine höhere Plastifizierung von Bauteilen bei deren Auslegung vermieden wird.
Die Genauigkeit der SB-FAD-Methode wurde mit Finite-Elemente-Analysen von zahlreichen Bauteilmodellen und für Werkstoffe mit unterschiedlichem Fließverhalten überprüft. Vorteile der neuen Berechnungsmethode gegenüber dem konventionellen FAD ergeben sich unter anderem für Risse in Kerben. Hierbei wurde die Konservativität des ursprünglichen SB-FAD-Ansatzes durch die Berücksichtigen von Dehnungsgradienten an Kerben deutlich reduziert. Weiterhin ist die SB-FAD-Methode für Risse in geschweißten Bauteilen in Kombination mit der Kerbwirkung und dem Festigkeits-Mismatch zu empfehlen. Neben einer höheren Genauigkeit im Vergleich zum konventionellen FAD lässt sich hierbei das SB-FAD-Konzept unabhängig von der Verfügbarkeit von plastischen Grenzlastlösungen für jeweilige Bauteil- und Rissmodelle verallgemeinern.