Gestern und Heute

 

50 Jahre angewandte Werkstoffmechanik-Forschung am Fraunhofer IWM

 

Unser Erweiterungsbau steht unter dem Motto »Vernetzen – Verknüpfen – Integrieren«

 

Nachhaltige Lösungen für die optimierte Nutzung von Materialeigenschaften und für neue Materialfunktionen

 

Wissenschaftliche Exzellenz als Grundlage für innovative Lösungen 

Was hat das Fraunhofer IWM groß gemacht?  Meinungen und Meilensteine von Beginn bis heute

© Fraunhofer IWM
Dr. Johann Georg (Hans) Blauel, ehemaliger Leiter des Leistungsbereichs »Fahrzeugtechnik, Leichtbau«

Gemüse im intakten Glas – ein Beispiel aus ersten eigen-akquirierten Projektmitteln (1968, noch vor Etablierung des Instituts)

 

»Wir sollten klären, wie bestimmte Schadensfälle an Hohlgläsern beim Sterilisieren der Gemüsefüllung entstanden waren und wie diese zu vermeiden wären. Das wurde möglich durch eine detaillierte Fraktographie der Gläser und damals erste bruchmechanische Analysen kritischer Fehlergrößen unter thermisch induzierten Spannungen.«

 

Erweiterung des Spektrums zu untersuchender Werkstoffe

 

»Vor der Etablierung des Instituts war mit der Anschaffung einer messtechnisch leistungsfähigen Prüfmaschine der Grundstein für die Erweiterung des Spektrums untersuchbarer Werkstoffe gelegt (der Vorlauf: etwa zwei Jahre). Außer den Versagensvorgängen in Gläsern und Kunststoffen sollten auch die in Stählen und Keramiken untersucht werden.«

© Fraunhofer IWM
Prof. Dr. Erwin Sommer, ehemaliger Leiter des Fraunhofer IWM (1977 bis 2001)

© Fraunhofer IWM
Dr. Johann Georg (Hans) Blauel, ehemaliger Leiter des Leistungsbereichs »Fahrzeugtechnik, Leichtbau«

Workshop »Einführungskurs in die Bruchmechanik«

 

»Unser Workshop »Einführungskurs in die Bruchmechanik« im Juni 1969 noch vor Etablierung des Fraunhofer IWM begründete den guten Ruf unserer Expertise zu buchmechanischen Methoden in Deutschland und verknüpfte uns erfolgreich mit der internationalen Entwicklung im Bereich Bruchmechanik.«

Neue Denkweise: Analysen von Beanspruchungen und Versagensmechanismen mithilfe intelligenter Simulationen

 

»Der Einsatz numerischer Verfahren war zu Beginn der 1970er Jahre mangels Rechnerkapazität noch sehr begrenzt. Typische Beanspruchungen und Versagensvorgänge versuchten wir, an Modellversuchen an Gläsern aufzuzeigen. Unsere Grundüberzeugung »1:1 Versuche sind zu teuer und müssen intelligent simuliert werden« fand nur langsam Gehör.«

 

Thermische Trennung von Flachgläsern

 

»In den 1990er Jahren gab es Industriekooperationen mit Schott, unter anderem zum Thema »Thermische Trennung von Gläsern«. Dies führte dazu, thermische Spannungen als Werkzeug zur Glastrennung in hoher Qualität zu nutzen (Fraunhofer-Preis 2008 für Dr. Rainer Kübler) und später zum lasergestützten Trennverfahren von Verbundsicherheitsglas.«

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Prof. Dr. Erwin Sommer, ehemaliger Leiter des Fraunhofer IWM (1977 bis 2001)

© Stock-Mueller
Dr. Günter Kleer, ehemaliger Leiter des Geschäftsfelds »Fertigungstechnologien«

Entwicklung schneller Herstellungsverfahren optischer Präzisionsprodukte

 

»Für die Herstellung präzisionsoptischer Linsen für Kameras, Laser oder Messgeräte sollten in den 1980er Jahren die etablierten Schleif- und Polierprozesse abgelöst werden. Pressen und Prägen von Gläsern bei mehr als 500 oder 600 °C war erklärtes Ziel führender Industriefirmen. Das Fraunhofer IWM startete entsprechende F&E-Arbeiten zu den benötigten Werkzeugen. Wichtige Meilensteine waren der Aufbau eines Beschichtungstechnikums am Institut, die Erforschung neuer Schichtmaterialien, die Einrichtung von Ultrapräzisionsbearbeitungs-Labors oder der Aufbau von Versuchsanlagen zur Presstechnik-Verfahrensführung. Wir erreichten so die hohen Anforderungen in der Präzisionsoptik: zum Beispiel die Konturgenauigkeit von Einzelfunktionsflächen besser als ein Zehntel einer Vergleichswellenlänge im Bereich des sichtbaren Lichts sowie eine hohe Standzeit und Langzeitbeständigkeit der von uns entwickelten Beschichtungen .«

Pulvertechnologie

 

»Unsere Arbeiten zur Festigkeit von Hochleistungskeramik in den 1980er Jahren führten uns vor Augen, dass es nicht ausreicht, das fertige Produkt zu charakterisieren. Mindestens ebenso wichtig ist das Verständnis des Herstellungsprozesses vom Pulver bis zum Bauteil. Unser natürlicher Part sollte dabei die numerische Simulation der Prozessschritte sein. Aus der Idee wurde bei zwei aufeinanderfolgenden Hagener Pulvermetallurgie-Symposien – jeweils beim conference dinner – zunächst ein kleines Demonstrationsprojekt und dann ein größeres Projekt mit zwei Hartmetallfirmen. Seither konnten wir nach und nach alle Prozessschritte in die Simulation einbeziehen, die für die verschiedensten Branchen relevant sind und so den Kundenkreis bis zum heutigen Tag stark erweitern.«

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Prof. Dr. Hermann Riedel, ehemaliges Mitglied der Institutsleitung sowie Leiter des Geschäftsfelds »Werkstoffbasierte Prozess- und Bauteilsimulation«

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Prof. Dr. Matthias Petzold, komm. Leiter des Fraunhofer IMWS in Halle (Saale), das aus der Außenstelle des Fraunhofer IWM hervorgegangen ist

Januar 1992: Gründung einer Einrichtung für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen EMWS in Halle (Saale) als Außenstelle des Fraunhofer IWM in Freiburg

 

»Die persönliche Überzeugung des damaligen Institutsleiters Prof. Dr. Erwin Sommer und seiner Mitarbeitenden ‚Wir müssen diese Chance nutzen und den Aufbau eines neuen Wissenschaftssystems im Osten Deutschlands unterstützen!‘ war ausschlaggebend dafür, dass sich das Fraunhofer IWM nach der Wiedervereinigung sehr frühzeitig in Halle (Saale) engagiert hat. Die Gründung der Außenstelle in Sachsen-Anhalt war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die ohne die langjährige Unterstützung des Standorts aus Freiburg und die vertrauensvolle Kooperation nicht möglich gewesen wäre – ein Stück gelungener deutscher Einheit!«

Basis für das Geschäftsfeld Tribologie

 

»Die Kompetenzen zur Hochleistungskeramik und die der Oberflächenbehandlung führten zu mehreren größeren Projekten und waren die Basis der Expertise zur Oberflächenbearbeitung von Keramiken und darauf aufbauend der Tribologie von Keramiken. Die betrachteten Bauteile waren hauptsächlich keramische Kugellager, Gleitlager, Walzwerkzeuge, Schmiedewerkzeuge und Messer. Die Hauptakteure dabei: Prof. Dr. Wulf Pfeiffer, Rolf Zeller, Dr. Andres Kailer und ich selbst. Die systematische Klärung der bearbeitungsbedingte Oberflächenzustände und dem daraus resultierenden Reibungs- und Verschleißverhalten erfolgte dabei in einem 5-jährigen Projekt innerhalb eines DFG-Forschungsschwerpunkts. Dies und die Kompetenzen im Bereich der Tribologie metallischer Bauteile von Prof. Dr. Matthias Scherge waren die Basis für das Geschäftsfeld Tribologie.«

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Dr. Thomas Hollstein, ehemaliger Leiter des Institutsteils Freiburg sowie des Geschäftsfelds »Hochleistungswerkstoffe und Tribosysteme«

© Fraunhofer IWM
Dr. Johann Georg (Hans) Blauel, ehemaliger Leiter des Leistungsbereichs »Fahrzeugtechnik, Leichtbau«

ICE-Crashsicherheits-Analyse (2002-2006)

 

»Den zur damaligen Zeit abteilungsübergreifend sehr großen Industrieauftrag von mehr als 800.000 DM zur Untersuchung der Crashsicherheit des ICE durch Charakterisierung der Al-Werkstoffe, dynamische Bauteilversuche und numerische Analysen unterschrieb Prof. Dr. Gumbsch an einem seiner ersten Diensttage als neuer Institutsleiter des Fraunhofer IWM. Nach diesem ersten und erfolgreichen Höhepunkt wurden die Schienenfahrzeugorientierten Arbeiten des Fraunhofer IWM weiter ausgebaut.«

Entwicklung der Themen Lebensdauerkonzepte und Thermomechanik

 

»Von 2004 bis 2011 hat sich aus dem vergleichsweise kleinen Leistungsbereich »Hochtemperaturverhalten Metalle« der ansehnliche Bereich »Lebensdauerkonzepte und Thermomechanik« gebildet. Diese Entwicklung war nicht einem einzigen Projekt oder einem neuen Themengebiet zu verdanken. Vielmehr hatte sich eine Gruppe an Personen gebildet, der es bei einem hohen Industrieanteil gelungen ist, auch in der Grundlagenforschung sichtbar zu werden und so viele Fördertöpfe bespielen zu können. Für mich ist es immer noch wunderbar, ein Teil dieser Gruppe gewesen zu sein.«

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Prof. Dr. Thomas Seifert, Prorektor für Forschung und Transfer Hochschule Offenburg

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Prof. Dr. Matthias Petzold, komm. Leiter des Fraunhofer IMWS in Halle (Saale), das aus der Außenstelle des Fraunhofer IWM hervorgegangen ist

Januar 2016: Start des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) als eigenständiges Fraunhofer-Institut 

 

»16 Mitarbeitende nahmen 1992 in Halle (Saale) an der gerade gegründeten Außenstelle des Fraunhofer IWM ihre Arbeit auf. Tatkräftig und häufig selbstlos unterstützt von den Kolleginnen und Kollegen in Freiburg gewannen sie Orientierung im neuen Wissenschaftssystem und im Fraunhofer-Modell, ein zunehmend eigenständiges Profil und immer mehr Kunden. 2016 konnte der Standort somit schließlich den Weg in die Eigenständigkeit als Fraunhofer IMWS gehen, an dem heute ca. 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weiterhin in guter Kooperation mit dem Fraunhofer IWM, an herausfordernden Zukunftsthemen rund um die Mikrostruktur von Materialien arbeiten.«

Weitere Meilensteine in der Tribologie 

 

»Besonders hervorzuheben sind die Herstellung und Bewertung von strukturierten diamantähnlichen Schichten zur Reibungs- und Verschleißreduktion (Bernhard Blug), die theoretisch-numerische Aufklärung und Beschreibung des Reibungs- und Verschleißverhaltens von diamantähnlichen Schichten (Prof. Dr. Michael Moseler), als auch die extrem niedrige und einstellbare Reibung durch den Einsatz neu entwickelter Schmierstoffe (Dr. Andreas Kailer).«

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Dr. Thomas Hollstein, ehemaliger Leiter des Institutsteils Freiburg sowie des Geschäftsfelds »Hochleistungswerkstoffe und Tribosysteme«

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Prof. Dr. Hermann Riedel, ehemaliges Mitglied der Institutsleitung sowie Leiter des Geschäftsfelds »Werkstoffbasierte Prozess- und Bauteilsimulation«

Thermomechanische Ermüdung 

 

»Im Jahr 2000 kam von BMW die Anfrage, ob wir Lebensdauern von Motorkomponenten unter thermomechanischer Ermüdung berechnen könnten: die heißen Teile des Motors widersetzten sich ihrer zuverlässigen Berechenbarkeit. Wir sagten »ja«, wenn auch auf einer dünnen Wissensbasis. Unser Ehrgeiz war geweckt und so entwickelten wir in dem Projekt alles, was man für eine Lebensdauerberechnung braucht:

  •  ein Modell für das Wachsen der lebensdauerbegrenzenden Ermüdungsrisse

  •  die Versuchstechnik zur Bestimmung der Modellparameter

  •  die Finite-Element-Routine für die Anwendung auf reale Bauteile

Als Prüfstein diente ein neuer Abgaskrümmer. Unser Modell sagte eine Lebensdauer von 1800 so genannter Le-Mans-Zyklen voraus. Der Prüfstandsversuch bei BMW ergab 1900 Zyklen. Es folgten Dutzende von Aufträgen – neben der Autoindustrie beispielsweise auch Hersteller von Flugtriebwerken und Chemieanlagen. Die wichtigsten Kunden waren zuletzt Kraftwerkshersteller und -betreiber, die sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, das fluktuierende Stromangebot aus regenerativen Quellen auszugleichen und dabei Schäden an ihren Anlagen durch thermomechanische Ermüdung in Grenzen zu halten. Die Zeiten ändern sich und so müssen auch wir uns mit dem absehbaren Ende von Verbrennungsmotor und Dampfturbine auseinandersetzen.«