3D-Druck: Maßgeschneiderte Einlegesohlen für Diabetes-Patienten

Additive Fertigung: Einlegesohlen für Diabetes-Patienten stellen Orthopädieschuhtechniker bislang in Handarbeit her. Künftig können die Spezialisten die Sohlen kostengünstiger als bisher mit einer neuartigen Software entwerfen und mithilfe von 3D-Druckern herstellen. Die Vorteile: Die mechanischen Eigenschaften der Einlegesohlen lassen sich besser analysieren und wissenschaftlich bewerten.

© Fraunhofer IWM, Felizitas Gemetz
Durch Kombination verschiedener Strukturen in einer Einlegesohle kann ihre lokale Steifigkeit digital eingestellt werden.

Drückt der Schuh? Üblicherweise verlagert man in diesem Fall das Gewicht und entlastet die schmerzende Stelle. Bei Diabetes-Patienten jedoch verkümmern oftmals die Nervenenden im Fuß – die Betroffenen spüren die schmerzende Stelle nicht. Dies kann zu Druckstellen und schließlich zu Wunden führen, die schlecht verheilen. Abhilfe oder zumindest Linderung versprechen Einlegesohlen, die an der verletzten Stelle sehr weich sind und die Orthopädieschuhtechniker in Handarbeit aus verschiedenen Materialien passgenau anfertigen. Bisher lassen sich die Erfolge durch die Einlagen allerdings kaum wissenschaftlich nachvollziehen – schließlich ist jede Einlage eine Einzelanfertigung. Die Krankenkassen haben daher ein großes Interesse daran, den Prozess rund um die Einlegesohlen zu digitalisieren und damit für eine wissenschaftliche Datenerhebung zugänglich zu machen.

© Fraunhofer IWM, Felizitas Gemetz
3D-Strukturen aus TPU für Einlegesohlen. Die Strukturen wurden über CAD ausgelegt, ihre Eigenschaften simuliert und mit Experimenten abgeglichen.

Herstellung von Sohlen digitalisieren

Künftig soll das möglich sein: Im BMBF-Projekt »LAUF«, kurz für Lasergestützter Aufbau von kundenindividueller Fußbekleidung, arbeiten Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Werkstoffmechanik IWM und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT gemeinsam mit Industriepartnern an dieser Digitalisierung. »Die digitale Vermessung des Fußes ist bereits Usus. Im Projekt haben wir nun auch den Herstellungsprozess der Sohlen vollständig digitalisiert«, erläutert Dr. Tobias Ziegler, Wissenschaftler am IWM. »Mithilfe der neu entwickelten Software kann der Orthopädieschuhtechniker die Sohle patientenindividuell entwerfen und das Ergebnis auf einem 3D-Drucker ausdrucken.« Das bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Zum einen kann man – wie von den Krankenkassen gewünscht – leicht nachvollziehen, welche mechanischen Eigenschaften die jeweiligen Einlagen haben. Zum anderen lassen sich die Einlegesohlen deutlich kostengünstiger herstellen. In etwa zwei Jahren könnte diese Software den Orthopädietechnikern über das Projektmitglied IETEC zur Verfügung stehen.

Die Basis für den 3D-Druck der Sohlen legten vor einigen Jahren die Industriepartner Covestro und Lehmann&Voss&Co. Sie haben mit thermoplastischem Polyurethan, kurz TPU, erstmals ein sehr weiches Material für den 3D-Druck entwickelt. Dieses eignet sich sehr gut für orthopädische Einlagen. Gemeinsam mit UMSICHT-Experten entwickeln sie nun weitere Typen dieses Kunststoffs, die sich noch besser eignen.

Steifigkeit der Sohle präzise einstellen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom IWM optimieren unterdessen die dreidimensionalen Strukturen, die dieser Kunststoff in der Einlage annehmen soll. Denn wie weich oder hart die Einlage später ist, hängt nicht nur vom Material selbst ab, sondern auch von seiner Ausformung. »Wir überlegen uns zunächst Strukturen – also etwa gerade Stege, Ärmchen mit einer Krümmung, Dreiecke – fertigen davon ein Computermodell an, geben die Materialdaten des jeweiligen Kunststoffs ein und simulieren, wie steif das Resultat unter Druck ist«, konkretisiert Ziegler. »Wo soll die Einlage fester sein, wo weich? Über die Art der Struktur können wir also die Steifigkeit der Sohle präzise einstellen.« Das Team des IWM klärt mit anwendungsnahen Belastungssimulationen, welche Strukturen an welcher Stelle nötig sind, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen. Sie prüfen die Belastbarkeit des Materials und dessen voraussichtliche Lebensdauer. »Wir simulieren außerdem den gesamten Herstellungsprozess, um auch hier Optimierungspotenziale aufzudecken«, erklärt Ziegler. Diese Vorgehensweise nutzt er auch für andere Materialien und Strukturen für den 3D-Druck.

Die Daten für die verschiedenen Einlagen gehen an die Industriepartner rpm GmbH und Sintermask, die sie über 3D-Drucker durch selektives Lasersintern, einem additiven Fertigungsverfahren, ausdrucken. Der Partner Explius ist zuständig für die 3D-Datenverarbeitung. Das Team vom UMSICHT optimiert dabei den Druckprozess. Ist eine Einlage ausgedruckt, führt ihr Weg zurück zum IWM: Hier wird geprüft, wie belastbar sie ist, bis die Sohle versagt – etwa durch Zugversuche, Abrieb- und Biegeprüfungen. So sind bereits erste prototypische Einlegesohlen entstanden.


Was ist selektives Lasersintern?

Das selektive Lasersintern, kurz SLS, ist ein Schichtaufbauverfahren. Das heißt: Das Objekt wächst Stück für Stück in die Höhe. Als Ausgangsstoff dient ein Kunststoffpulver, das gleichmäßig auf einer Fläche verteilt wird. Ein Laserstrahl schmilzt das Pulver nun gezielt auf und verbindet die einzelnen Teilchen miteinander. Ist die erste Schicht fertig, senkt sich die Fläche ab, die nächste Schicht Pulver wird aufgebracht. Da das wesentliche Patent für das Verfahren ausgelaufen ist, boomt diese Herstellungsmethode: Mehr und mehr Anlagenhersteller drängen auf den Markt, die Preise purzeln.


Die LAUF-Projektpartner

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
IETEC Orthopädische Einlagen GmbH Produktions KG
Covestro AG
Lehmann&Voss&Co. KG
rpm - rapid product manufacturing GmbH
Sintermask GmbH
Explius GmbH


Kontakt

Dr. Tobias Ziegler
Telefon +49 761 5142-367
E-Mail senden